
Ab 2026 sollen Stromkunden in Deutschland weniger zahlen. Zumindest auf dem Papier. Denn während die Bundesregierung den Schritt als Erfolg verkauft, zeigt ein genauer Blick: Die Entlastung fällt ungleich aus – und Privathaushalte spüren sie kaum.
Regierung feiert, Opposition zweifelt
Die Bundesregierung hatte versprochen, die Energiepreise nachhaltig zu senken. Nach Monaten stagnierender Ansätze scheint nun Bewegung in die Sache zu kommen: Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber – 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW – haben angekündigt, ihre Gebühren im kommenden Jahr massiv zu reduzieren. Rund 60 Prozent weniger sollen es werden. Möglich macht das ein milliardenschwerer Zuschuss aus dem Bundeshaushalt.
6,5 Milliarden Euro stellt der Bund bereit, um die sogenannten Übertragungsnetzentgelte zu subventionieren. Diese Gebühren machen einen Teil des Strompreises aus – rund ein Drittel. Die neue Kalkulation müssen die Netzbetreiber bis zum 1. Oktober 2025 vorlegen; die Verteilnetzbetreiber, die das Signal an die Haushalte weiterreichen, folgen zwei Wochen später.
Doch Experten warnen: Die angekündigte Senkung könnte sich hauptsächlich in der Industrie bemerkbar machen – und nur in geringem Maße bei den Bürgern.
Industrie jubelt – private Verbraucher gehen leer aus
Für die großen Industriekunden bedeutet die Maßnahme eine deutliche Entlastung. Die Übertragungsentgelte sinken für sie von 1,05 auf 0,47 Cent pro Kilowattstunde – eine Ersparnis von gut 55 Prozent. Allerdings gilt dieser Wert nur für Unternehmen mit enormem Energieverbrauch: mindestens 850 Gigawattstunden pro Jahr.
„Für energieintensive Betriebe ist das eine spürbare Entlastung“, sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Dennoch äußert auch die Wirtschaft Kritik: Die Übertragungsnetzentgelte seien nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Netzkosten. „In vielen Regionen steigen die Gebühren der Verteilnetzbetreiber weiter, weil der Ausbau voranschreitet“, so Dercks. Er fordert die Regierung auf, die Stromsteuer für alle Verbraucher zu senken – nicht nur für Industrieunternehmen.
Verteilnetze bleiben der Kostentreiber
Die Senkung betrifft in erster Linie die Übertragungsnetze – also die „Stromautobahnen“ zwischen den Regionen. Die Verteilnetze, die den Strom letztlich in die Haushalte bringen, sind von den größten Preisnachlässen weitgehend ausgenommen.
Zwar zahlen die Betreiber künftig 2,13 Cent statt 5,02 Cent pro Kilowattstunde, doch diese Einsparung dürfte nur teilweise an die Endkunden weitergegeben werden. Schließlich entfallen fast zwei Drittel der gesamten Netzentgelte auf die Verteilnetzebene.
Damit verpufft die politische Entlastung für viele private Haushalte nahezu vollständig.
Für Haushalte bleiben 4 Prozent Ersparnis
Laut einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox können Drei-Personen-Haushalte mit 4.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch im Schnitt mit einer jährlichen Entlastung von rund 60 Euro rechnen. Das entspricht einer Preisreduktion von lediglich 4,4 Prozent – weit entfernt von der 60-Prozent-Schlagzeile, mit der die Regierung wirbt.
Konkret: Die jährlichen Stromkosten sinken rechnerisch von 1.385 auf 1.324 Euro. Die Bundesregierung dagegen spricht von einer „signifikanten Entlastung“ und schätzt die Ersparnis auf rund 100 Euro pro Vier-Personen-Haushalt.
Opposition warnt vor ungleicher Entlastung
Die Kritik kommt prompt – auch aus den Reihen der Regierungsparteien.
„Ein dauerhafter Zuschuss wäre sinnvoller als eine einmalige Subvention“, sagt Michael Kellner, energiepolitischer Sprecher der Grünen. „Es ist weder garantiert, dass die Netzbetreiber die Entlastung vollständig weitergeben, noch dass sie in allen Regionen gleich ausfällt.“
Kellner schlägt vor, die Förderung über die Umlagen laufen zu lassen, damit alle Verbraucher gleichermaßen profitieren – unabhängig davon, in welchem Netzgebiet sie leben.
Fazit: Symbolpolitik statt Strukturreform
Die geplante Senkung der Netzentgelte ist ein Signal – aber kein echter Befreiungsschlag. Während energieintensive Unternehmen massiv profitieren, bleibt für Privathaushalte kaum mehr als ein symbolischer Rabatt.
Ohne eine umfassende Reform der Stromsteuer, der Netzentgeltsystematik und der regionalen Preisunterschiede wird der deutsche Strompreis auch 2026 weiter zu den höchsten in Europa gehören.

